Zählend, sortierend, wiederholend nutzt Susanne Schwarz traditionelle Handarbeitstechniken, um aus Flächen dreidimensionale Formen entstehen zu lassen. Dabei konfrontiert die ausgebildete Silberschmiedin klassische Schmuckformen mit unerwarteten Materialien, die die Funktionalität von Schmuck künstlerisch reflektieren. So umwickelt sie für Pearl Kettenglieder mit Streifen aus Masking-Tape, bis diese im fortschreitenden Prozess zusammenwuchern und ihre Beweglichkeit verlieren. Wie eine Perle, die aus einem Sandkorn in der Muschel durch Ummantelung heranwächst, entsteht Millimeter für Millimeter die organische Form. Unter dem Titel Kaschiert führt sie diese Technik in weiteren Ketten und Armbändern aus Textilklebeband fort. Das Textile bildet einen wichtigen Bezugsrahmen für ihre Arbeit; sie entwickelt ihre Werke in der Reflexion über klassische Handarbeitstechniken, wie Nähen, Stricken und Weben, wobei sie insbesondere deren formgebende Möglichkeiten und die Produktionsweise interessieren. Die Serie 2661 / 1–10 ergibt sich durch Übernähen der Linien eines Schnittmusterbogens, das Susanne Schwarz solange fortführt, bis sich das Papier von selbst herauslöst. Die Reduk-tion auf die Naht spielt nicht nur mit dem Sichtbarmachen des üblicherweise Verborgenen, sondern legt den handwerklichen Herstellungsprozess offen. Zum Schmuckobjekt führt dabei eine doppelte Transformation: Die zweidimensionale Linie auf Papier wird von ihrer Bestimmung gelöst und in eine textile Linie übersetzt, der als eigenständigem Objekt ein neuer tragbarer Zweck zugewiesen wird. Eine andere Werkgruppe umfasst insgesamt zwölf Ketten aus Neobond®, einem papierähnlichem Material, das unter anderem für langlebige Dokumente verwendet wird. Drei unterschiedliche Arten zu Weben, werden an ein, drei, fünf oder sieben Meter messenden Streifen durchexerziert, um aus dem schlichten Material flexible dreidimensionale Objekte zu generieren. Wie die Werkgruppe Papier tragen, für die Susanne Schwarz 2013 den Marianne-Brandt-Preis erhielt, zeigen sie den Wechsel zwischen der grafischen Fläche und der skulpturalen Form. Am Körper geraten sie wie Kleidung in Bewegung. Für Papier tragen verknüpft sie lange lasergeschnittene Maschenreihen aus Tyvek®, einem papierähnlichen Kunststoff, Schlaufe für Schlaufe ineinander, bis sich die gestrickte Oberfläche zu runden beginnt und sich zu schwerelosen Armbändern und Ketten ohne Anfang und Ende schließt. Nicht nur in der Dauer und der Mühe, die die Fertigung der Stücke erfordert, kristallisiert sich Zeit als wesentlicher Faktor für Susanne Schwarz’ Arbeiten heraus. Die mit den Jahreszahlen 1951, 1985 und 2014 benannten Perlenketten beschäftigen sich mit der Zählbarkeit von Zeit in der eigenen persönlichen Geschichte. Die weißen und schwarzen Perlen codieren die Stammbäume von Susanne Schwarz‘ Familienmitgliedern, jede schwarze Perle entspricht einer Person, an den weißen lässt sich ihr Alter zum Zeitpunkt ihrer Geburt abzählen. Susanne Schwarz unterlegt allen ihren Arbeiten unterschiedliche systematische Prinzipien, die die Grenzen für die Formwerdung, Entfaltung und Veränderung definieren. Die Objekte, die dabei entstehen, wirken leicht, flüchtig und trotz ihrer Fragilität und zurückhaltenden Farbigkeit doch immer extravagant. Text: Neila Kemmer
Susanne Schwarz *1985 in Nürnberg, lebt in Berlin
Ausbildung
2010 – 2016Studentin an der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg in der Klasse für Freie Kunst (Gold-/ Silberschmieden) bei Prof. Ulla Mayer, Prof. Simone ten Hompel und Prof. Suska Mackert 2016Ernennung zur Meisterschülerin 2014Praktikum bei Brooklyn Metal Works, New York City2008 – 2010Lehrjahre als Silberschmiedin an der Berufsfachschule für Glas und Schmuck in Kaufbeuren-Neugablonz2006 – 2008Ausbildung zur Modenäherin an der Berufsfachschule für Bekleidung in Nürnberg2005 – 2006Werkbundwerkstatt NürnbergAuszeichnungen
2016Absolventenpreis zusammen mit Ann-Kathrin Hartel und Nadja Soloviev2015Stipendiatin der Sigmund-Schuckert-Stiftung Nürnberg3. Platz beim oberbayerischen Förderpreis2013Hauptpreis in der Kategorie Produktgestaltung beim internationalen Marianne-Brandt- Wettbewerb Sonderpreis der Firma Alessi beim internationalen Marianne-Brandt-Wettbewerb Finalistin beim BKV-Preis für junges Kunsthandwerk 20121. Platz beim Klassenwettbewerb der Danner-Stiftung 20101. Platz beim Schulwettbewerb der Danner-Stiftung
Ankäufe in öffentlichen Sammlungen
2018 ich sehe was, was du nicht siehst, drei Broschen, Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg Papier tragen, Set aus Collier und Armreif, Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg
Kuratorische Projekte
2017 et cetera – im Rahmen von Exposé, Espace Solidor, Cagnes-sur-Mer
Projektbeteiligung
2014 – 2016Project 27 ist eine Kollaboration zwischen drei europäischen Akademien. Drei Studenten der Klasse für Freie Kunst/Gold-und Silberschmieden an der Akademie der Bildenden Künste Nürnberg, drei Studenten des Jewellery Design department der St. Lucas School of Arts, Antwerpen und drei Studenten des Goldsmithing department der Gerrit Rietveld Academie, Amsterdam reagieren gegenseitig auf ihre künstlerische Arbeit.
Einzelausstellung
2016 ACHT – Austra Lasmanis, Berlin
Ausstellungenbeteiligungen (Auswahl)
2019 &friends – Schmuckwoche, München
2018 EinBlick – Werkhaus, NürnbergMY MUNICH – Galerie Biró, IHM, München Tableau Vivant – Die Neue Sammlung, Pinakothek der Moderne, München
2017 Ausstellung zum Friedrich-Becker-Preis – Stadtmuseum, Düsseldorf und Goldschmiedehaus, Hanau Katalog – Schmuckwoche, MünchenTalente – IHM, München
2016 in situ – Neues Museum, Nürnberg Absolventenausstellung – AdBK, Nürnberg Champagner und Je t ́aime – Akademiegalerie, Nürnberg
2015 Project 27 – Akademie der Bildenden Künste, Nürnberg / St. Lucas School of Arts, Antwerpen Zabo Paradise – Schlegelschmuck, München Ausstellung zum Oberbayerischen Förderpreis – Galerie Bezirk Oberbayern, München
2014 Just Paper – EUNIQUE, Karlsruhe Schlosshandel – Schloss Landestrost Grassimesse – LeipzigEinBlick – EdelExtra, Nürnberg Frühlingsausstellung – Galerie Hermsen, Wiesbaden
2013 Ausstellung zum 5. Marianne-Brandt-Wettbewerb – Industriemuseum, Chemnitz und Grassimuseum, LeipzigGrassimesse – Leipzig Frisches Design, Nürnberg Ausstellung des BKV-Preises – Galerie für Angewandte Kunst, München
2012 /prospekt/ – Neues Museum Nürnberg Grassimesse – LeipzigMeisterhaft geknüpft – Blaue Nacht, Nürnberg